Die immergleichen alten Geschichten
setzen sich ungebeten zu Tisch
Bedrängen dich bilden einen Schulterschluss der Bedürftigkeit
Und wenn du aufstehst um dir ein Glas Wasser zu holen
Mit dem du die Erinnerungen hinunterspülen willst
Wachsen sie diese Scheinriesen
Breiten sich aus
Bis kein Platz mehr ist für dich
Und irgendwo scheint die Sonne
Und irgendwo bleibt der Himmel immer blau
Und irgendwo versteckt sich jemand hinter deinen Zeilen
Und sammelt deine Sätze
Um sie dir beizeiten um die Ohren zu hauen
Und du stehst da und suchst immer noch einen Platz
An diesem Tisch den du nicht aufgeben willst
Der dich empfängt wie ein gespitzter Bleistift
Damit du ihn niederschreiben kannst
Um einen Platz zu schaffen
In dem die Worte zu sich kommen können
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Das ist ja alles viel zu klar und deutlich
Gerade jetzt in diesen grauen Tagen
Schreibt er
Wenn die Erinnerungen den Raum ersticken
Diese Unruhe
Schreibt er
Wenn man wie die Gedanken
Nur im Kreis laufen kann
Er stellt sich vor
Und das kann man euch da draußen gar nicht erklären
Schreibt er
Wie die Nerven reißen
Sie war so überheblich und so arrogant
Schreibt er
Das Schlimmste sind die Träume
In denen sie noch lebt
Und auf einen Brief von mir wartet
So wie du
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Ich bin ihm einmal begegnet
Aber was heißt schon begegnet
Es war Winter
Knietief im Schnee zu versinken
Machte die Sache nicht leichter
Er sah mich an
Natürlich sah er mich an
Alle tun das
Selbst die klitzekleinen Fliegen mit ihren Facettenaugen
Aber in seinem Blick lag so etwas
Er ging nur Nachts auf die Straße
Wenn ihn niemand erkannte
Aber das war nicht der Grund
Erzählte er mir später
Er mochte das Geheul der Wölfe
Wenn er einsam unter einer Straßenlaterne stand
Diese alten schmiedeisernen Laternen
Sagte er
Und er siezte mich
Was merkwürdig war
Weil ich ihn schon so lange kannte
Ich muss jetzt gehen sagte ich
Ich wollte sehen ob er sich in eine Schildkröte verwandeln würde
Bei diesen Worten
Denn genau das hätte ich gerne geträumt
Ich hatte dieses Gefühl
Jemand oder ein Gedanke würde mich verfolgen
Ich dachte an die Lerchen
Bevor die Katze sie gefressen hatte
Damals wusste ich noch nichts von dieser Begegnung
Aber ich fürchtete die Katze
Weil sie die Lerchen einfach gefressen hatte
Nachdem sie gefüttert worden waren
Und ich dachte ich müsste es ihm erzählen
Wenn wir uns einmal begegnen würden
Aber als wir einander begegneten lag Schnee
Und er stand am liebsten unter der Laterne
Ich wusste nicht was ich jetzt noch träumen sollte
Nur dass er sich niemals in eine Schildkröte verwandeln würde
Obwohl sein Gesicht Ähnlichkeit mit einer Schildkröte hatte
Und er mich ansah wie eine klitzekleine Fliege mit ihren Facettenaugen
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Die Menschen die einander in die Haare greifen
als wäre dort das Leben
als könnte man sich aufgeben
wie einen Brief
und woanders wieder ankommen
wie eine Nachricht
eine Benachrichtigung
ein falsches Wort zur rechten Zeit
die pockigen Tage ohne Gelingen
das Wohnen hinter einem Abstellgleis
den Zebrastreifen einrollen
und nach Hause tragen
wie ein Lied,
das man von den Lippen
des Liebsten küsst
wie schwer zu knackende Nüsse
die sich an die Zweige aus Mandelholz hängen
du riechst so gut
komm mit mir
ich weiß wo sie die Zukunft verstecken
nur meine Frau die Ilsebill
will nicht so wie ich wohl will
stellt das Klavier in den Schrank
zu den Händen
da gehört es hin
das Wissen um die entbehrlichen Ordnungen
das sanfte Umkippen der Zeit
(da läuft sie
haltet sie auf)
und pflückt einen Blumenstrauß
einen Blumenstrauß aus Vergangenheit
Verwegsamkeit
den man in ein Glas mit Hoffnung stellt
bis die Flüsse austrocknen
und die Fische auf dem Trockenen sitzen
(es ist nicht das erste Mal.
Es ist nie das erste Mal)
Ein Buch schreiben
Die Worte biegen
Die Gunst der Stunde
Wenn uns jemand zum Essen ruft
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Das Papiergebet* verstrahlt beizeiten
Zu viel Licht das auf das Schweigen zwischen den Zeilen fällt
Das Festhalten an den Tatsachen
Als hätte man Angst vor dem Fliegen
Und nicht vor dem Absturz
Oder davor dass man wieder einmal zurückbleibt
Mit leeren Händen und zusieht
Wie all die anderen abheben
Ankommen und man selbst ist nicht einmal unterwegs
Nur verzweifelt auf der Suche
Zu erkennen man legt sich selbst seine Steine in den Weg
Die nicht auszuräumen sind
Wie die Bedenken hinter einer fremden Stirn
Was lähmt ist dieser Blick in Gesichter
Die einmal etwas bedeuteten
Und jetzt lautlos anklagen spiegeln
Aber nicht Gesichter hinter deren Falten die Geschichten liegen
„alles was war wird wieder sein“**
Nicht das spiegeln sie - nicht solche Gesichter
Nur den Hemmschuh
Schwer wie das zweifellose Festhalten an Tatsachen
*Friederike Mayröcker
** Anne Sexton
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Josef schlich um den heißen Brei herum.
Maria hatte etwas empfangen.
Die Fröhlichkeit ging aus und ein
Josef setzte sich mit seinem Zweifel zu Tisch.
Er ging hart mich sich zu Gericht
Während er die Suppe auslöffelte.
Aber den Namen suche ich aus
Sagte er schließlich und spielte mit Marias Haar
Du bist immer so voreilig
Sagte Maria
Dafür liebe ich dich
Und sie küsste ihn auf die Stirn
Schloss die Tür und schoss Fotos von der sterbenden Ulme
Morgens war ihr jetzt häufig schlecht
Vielleicht sollten wir wegfahren
Sagte Josef
Meine Schwester besuchen
Oder deinen Mann
Und was wird aus der Ulme
Fragte Maria
Du hast doch die Fotos
Erwiderte Josef
Und dann vergingen sechs Monate
Bevor sie die Koffer packten
Die Ulme ist nicht mehr zu retten
Sagte Maria
Und es klang so gleichgültig
Dass Josef wusste
Er würde sich nie von ihr trennen können
Irgendetwas Namenloses würde ihn immer davon abhalten
442mal gelesen
Es gibt einen Mann
Er reißt mir die Wurzeln aus
Er will nichts von mir
Er will nur den Weg wissen
Wo bitte geht es hier zum Kasperletheater
Da werden sie ihn nicht reinlassen
Er steht gerne vor verschlossenen Türen
Da riecht es so gut nach Vergeblichkeit
Das erinnert ihn an den Holunderbeerwein
Und daran dass er einmal etwas fast absichtslos getan hätte
Wenn er sich heute vorstellt
Welche Folgen das gehabt hätte
Da könnte er sich ja gleich vorstellen
Bei der Müllabfuhr nehmen sie niemanden mehr
Aber er könnte Pilze suchen im Wald
Oder im Supermarkt
Und damit den Bademeister anschwärzen
Und mit den Pilzen vom Zehn Meter Brett springen
Weil er immer noch verliebt ist
Ihren Namen hat er längst vergessen
Ihr Gesicht auch
Nur das Fehlen ihrer Nase
Dieses verzweifelte Lachen zwischen den Augen
Das nie ihm galt
Vielleicht hätte er dort Wurzeln schlagen können
In dieser leeren Stelle
In ihrem vergessenen Gesicht
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Es war einmal ein Kind
Das war mit der Langmut der Selbstgerechtigkeit gesegnet
Und durch die Pagodengassen sprengten
Herrenlose Hunde
Und die Leute öffneten die Fenster
Aber da war niemand
Nur ein kleinwüchsiger Greis
Der neue Stiefel brauchte
Der vielleicht den verlorenen Knopf seines Mantels suchte
Was geht mich das an
Dachten die Leute
Und schlossen die Fenster
Das Kind aber
Verschluckte sich an der Zeit
Es hatte ja so viel davon
Schwindelerregend viel Zeit
Trug es in einem Bauchladen
Mit sich herum
Das Kind wollte die Zeit gegen Farben tauschen
Farben um in den Wald zu gehen
Und mit den farblosen Vögeln zu sprechen
Farben um die tristen Nachmittage zu tapezieren
Um einen Blick auf die seitliche Form der Verzweiflung zu werfen
Damit verging die Zeit
Und verdarb dem Jungen den Appetit auf seine Selbstgerechtigkeit
Er verschleuderte die Zeit
An dahergelaufene Passanten
Er warf ihnen die Zeit hinterher
Und sie duckten sich
Und liefen davon
Mit der Zeit
So ein alberner Wettlauf
Wie beim Hasen und dem Igel
Der Junge aber
Mochte keine Tiere
Und setzte sich auf den Sekundenzeiger
Der Kirchturmuhr
Um Karussell zu fahren
Um Farben zu sehen
Und die Knöpfe zu finden
Die der Greis verloren hatte.
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