Samstag, 20. Juni 2009

Halb acht am morgen


Der Tag ist
Mit all seiner erhabenen Verdrießlichkeit
Erwacht

Mütter schieben ihre Kinder
Wie einen folgenreichen Gedanken
Vor sich her

Die Straßen bevölkern sich
Der Himmel bleibt leer
Die gleißende Selbstverständlichkeit
Eines gebrochenen Versprechens
Trennt das Abstrakte vom Konkreten

Der Scheidepunkt wird sichtbar
Der Moment von dem an
Alles gleich bleibt
Und nur noch
Die Zeit
Vergeht

Ein Bewegen der Blätter
Bevor der Baum
Sie verbrennt
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Donnerstag, 18. Juni 2009

An meine Söhne

Und das Licht das auch
In der finstersten Befangenheit
Nicht erlischt
Verdanke ich euch
Eurem samtweichen Haar
Zwischen meinen Fingern
Dem verheißungsvollen Geläut
Eures Atems
Der kleinen Brustkörbe
Die sich heben und senken
Und so erwartungsfroh
Auf den Wellen des Lebens treiben
Als stände nicht längst alles bereit.
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Mittwoch, 17. Juni 2009

Dieser Tag

Die Entfernung einer vertrauten Betrachtung
Da fließt die Hoffnung
(so ein bedächtiger Fluss)
die trägen einsilbigen Worte
der wiederholte Versuch
eigenmächtig die Sonne zu blenden
damit der Moment die Schatten verschluckt
das Fortdauern der Verständnislosigkeit
der leise Verrat der Begriffe
die Bedenkenlosigkeit eines traumlosen Glücks
die Oberfläche die sich auf die Bedeutung legt
so gerissen belanglos
wie dieser Tag
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Dienstag, 16. Juni 2009

Nach der Geburt

Als meine Mutter sich entschied
Mich zu hinterlassen
Stellte das Jahr seine Tage zusammen

Das Wasser im Glas bewegte sich nicht
Die Schwalben tanzten im Regen
An der Ecke verteilte jemand
Gänseblümchen an die Bedürftigen

Irgendetwas verstellte mir den Blick
Es waren keine Tränen
Mein Gesicht war eine sehr trockene Landschaft
Die Augen so blass
Wie das Gesicht des Leichenbestatters

Ich fragte nicht wo sie
Die Sommersprossen aus ihrem Gesicht
Aufgebahrt hatten
Ich stellte keine Fragen
Weil ich fürchtete es könnte Antworten geben
Antworten die nicht mehr verschwinden
Im Gegensatz zu ihr
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Montag, 15. Juni 2009

Anfangen

„Anfangen, wo es anfängt:“ (Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“)

Hören sie auf diese Forderung
Einer sehr leisen Stimme
Es ist die Stimme eines Mannes
Er verspricht ein Spiel
Und beginnt mit einer Forderung
Was folgt ist ein Verlauf
Er beginnt mit: und dann
Er folgt keiner Reihenfolge
Jegliche Reihenfolge
Wurde aus dem Anfang verbannt

Die Krähen in den Fischerbooten
Kümmern sich nicht um den Anfang
Das ist der Moment in dem alles beginnt
Weil man sich nicht länger erinnert
Und dennoch den Behauptungen nachgibt
(neben mir dieser Mann
im grünen Jackett mit Lesebrille
bevor es so weit gekommen war
stand er am Kai und stellte unhaltbare
Forderungen. Dafür liebten sie ihn
So lange er jung war.
Eine spielende Stimme besitzen nur die Fraglosen)

Es waren auch damals schon
Immer die einen
Die sich nie an die anderen hielten
Und wenn sie es umzukehren versuchten
Lief erst recht alles schief
Ich mochte diese kleinen Ungereimtheiten
Es war eine Möglichkeit
Zärtlich an das Leben zu denken
Ohne unhaltbare Verlustrechnungen anzustellen
Vor meinem Fenster stand ein Mann
Er pflegte seine Gedanken
Er pflegte sie still
Von Zeit zu Zeit betrachtete er mich
Wie ich am Fenster stand
Und ihn betrachtete
Seine Haare hatten die Form von Fragezeichen
Ich war mir nicht sicher
Ob mir das gefiel
Aber das war nur eine dieser Antworten
Die sich uns immerzu in den Weg stellen
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Donnerstag, 11. Juni 2009

Geheimnisse

Ich verachte die Lautstärke eurer Wahrheiten
Das was ihr für Klarheit haltet

Keine Menschen auf den Straßen
Stille
Alle Fenster geschlossen
Damit man nicht sieht
Wie schwer der Himmel
In der Luft hängt

Da ist kein Geheimnis
Das man wie ein Messerwerfer
Einem steifen Körper entgegen schleudern kann
Haarscharf daneben zielen
Dieser Duft einer Ahnung

Und keiner der sich die Nägel saubermacht
Um den Dreck aufzubewahren
In einen Umschlag zu stecken
Und an sich selbst zurückzuschicken

Wie dieser einsame blaue Verkehrspolizist
Auf der Kreuzung
Seine Arme bis zum Ellbogen in weißen Handschuhe
Was glaubt ihr warum er die trägt?

In jeder Rechtschaffenheit
Liegt ein ungeborenes Geheimnis
Eine Verachtung für den Augenblick

Ich kratze mir den Dreck von den Nägeln
Diesen Schmutz der alles zusammenhält

Und wenn ihr aufhört zu reden
Begrab ich mein Geheimnis
Unter dem der mich verrät
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Dienstag, 9. Juni 2009

Ort Eins

Was ist das für ein Ort
Wo die Toten ihre Hoffnung begrüßen
In der Stille
Hinter den mühsam vergossenen Tränen
Den aufgestoßenen Schluchzern
Diese Seufzer
Die nicht einmal dem Leben gelten
Und selbst hier sitzt eine
Und schreibt alles auf
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Samstag, 6. Juni 2009

Christine

Christine – das ist ja nicht irgend ein Name
Ein Name mit dem man sich in die Zugluft stellen kann
Ein Name der aus Wunden besteht
Und aus der Erinnerung an ein sehr dunkles Augenpaar
Etwas dem es nicht genügt das Fenster zu öffnen
Und die Sterne einer mondlosen Nacht zu zählen

Ein Name in dem die Verheißung liegt
Alles zu vergessen was wie eine Möglichkeit erscheint
Grundlos einzusinken in diesen tiefen Schmerz
Der niemals mir allein gehören wird
In dem man weiter liest und liebt und lebt
Das „innere wilde Augenlicht“

Und dann wird es wieder hell
Die Lichter verlöschen
Die Glühbirnen und Laternen
Die Neonröhren über den sterilen Küchentischen
Und im Morgengrauen schreibt jemand mit ungelenker Hand
In sehr schwarzer Farbe
Ihren Namen auf eine sehr weiße Wand
Ich aber schließe das Fenster
Für heute ist es genug




Am 07. Juni vor 36 Jahren ist Christine Lavant gestorben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Christine_Lavant
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Der stumme Gesang von Fremden

Sie hielten uns stumm
Weit ab von jeglichen Gerüchten
Ein Wort verlernte das Fliegen
Ein anderes begann zu gehen

Wir wissen mehr als uns gut tut
Wir straucheln und stranden
Unsere Gedanken hängen
Da bleibt dieses Gestrüpp

Der Herbst ist eine Richtung
Die fackelnden Hemden eines
Unsicheren Verlaufs
Da streichst du die Worte
Und wartest auf Farbe
Und plötzlich weißt du
Wie Verstehen geht

Dieser sehr beruhigende Singsang
Einer Sprache
Die man nicht versteht.
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