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Ich habe einen Freund
Sagt Sansibar
Der schmiedet Verse
Über all die Dinge
Die ihm niemals widerfahren
Er blickt in tiefe Brunnen
Und fragt sie
Nach dem Einklang der Welt
Er bohrt Löcher in den Himmel
Und füllt sie mit seinem Gesicht
Wenn er sehr traurig ist
Schenkt er mir seine Gedichte
Und ich gehe damit zum Brunnen
Nur beten kann ich dann nicht
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Sansibar träumt vom Licht
Und seinen Ausprägungen
Es ist kälter geworden
d.h. das Licht träumt vom Weiß
Wie sportlich es ist aufzugeben,
Lieber Gott,
Sagt er
Aber wie fängt man es an?
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Am Welttag des Buches habe ich den Rechner ausgeschaltet und bin auf eine Lesung gegangen. Dort wurde mir beigebracht, dass die Idee eines Tag des Buches auf einer katalonischen Sitte beruht, dort schenkt man einander am 23. April Bücher und Rosen. Ich habe die Behauptung nicht nachgeprüft. Rosen gab es auch nicht. Und auch nur wenige Besucher, obwohl György Konrád las.
Während also jemand von Katalonien erzählt und die alten Chimären vom E-Book heraufbeschwört, sitzt Herr Konrád dort vorne auf seinem Stuhl und lässt die Blicke über die spärlichen Besucher schweifen. Ich frage mich, wie sich das anfühlt für ihn. Auf seinen Stock gestützt zuzuhören, was die Menschen, die es gut meinen, aber letztendlich von nichts eine Ahnung haben, erzählen. Von den wenigen Menschen, die gekommen sind, hantiert die Hälfte mit ihren Kameras. Dabei sollte es um die Ohren gehen, stelle ich mir vor. Aber letztendlich habe auch ich von nichts eine Ahnung.
Nach einer weiteren Einführung darf endlich Herr Konrád selbst durch die Lebensläufe seiner erdachten Figur schlendern und vorlesen, was er geschrieben hat über einen der schwebt und sich am Stock festhält, der das Geheimnis des Schwebens nur den Schwebenden verrät. Levitation der Worte. Der Text, der gelingt, hebt sich ab und lässt die Trauer zurück, baut Brücken zwischen den Sätzen, die Gedanken hinterlassen, Hintergedanken, wenn man darüber hinaus geht.
Dann liest er nicht mehr und ist bereit für die Konversation. Aber die Fragen, die gestellt werden, spärlich und von fast immer den selben Menschen kreisen um Ungarn und seine Politik und natürlich um die Tatsache, dass Herr Konrád nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch Jude und nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Am Ende bleibt das Gefühl, wir haben ihn traurig gemacht mit unseren dummen kleinen Fragen, die nichts von der Demut eines Calligaro hatten, der jedem seiner Schöpfer zu seinem Werk gratuliert.
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Was mir fehlt ist eine Haltung
Sagt Sansibar
Handliche Gedanken
Mit denen ich einordnen kann
Was geschieht
Denn was ist Schuld
Solange man sich nicht dazu bekennt
Und was Freiheit
Wenn man sie sich nicht nimmt?
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Ich erwachte in einem seltsam blutleeren Zimmer voller Schuld.
Ich hatte es mit meinen Versäumnissen tapeziert,
mit der Art wie man verlernt, sich gehen zu lassen.
Neben dem Bett, das an der Wand stand,
an der Wand, aus der die Träume kamen,
lagen die Tabletten – klein, rosa und beruhigend
wie die Zeit, die über all das gelassen hinwegging.
Was mich manchmal wunderte, war das Blut
und wie es trotzdem nach Gras riechen konnte.
Jeden Morgen, den ich erwachte, verlor ich einen Tag meines Lebens
aus der Erinnerung.
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Ich ging einer beratenden Tätigkeit nach
Ich schnitt Fußballerbeine aus
Und klebte aus ihnen Collagen
Ich sprach von Kunst und Verständnis
Ich braute die Wolken eigenmächtig zusammen
Wenn ich fünf Sätze mit ich bildete
Gabs ein Gewitter
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99.
Wenn ich die Zeit vergessen könnte
Sagt Sansibar
Und von der Verzweiflung
Bliebe nur der Zweifel
Der aufsteigt
In die lauen Lüfte des April
Ein Scherz auf zwei Beinen
Der sich aus dem Fenster beugt
Und nicht einmal seinem Gott
Etwas verspricht
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"Was soll einem Mut machen, von allem, was man betrachtet, wenn nicht die Betrachtung selbst."
(Elias Canetti)
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